![]() |
Wo geht’s denn hier zum Paradies? |
Montag, 30. Juli 2012 | Veröffentlicht von Anne unter Kolumbien |
|
Tschüß Rio Magdalena, wo geht’s denn hier zum Paradies? Wir wandten uns in Richtung Nordwesten nach Tolú, denn in diese Richtung war der Atlantik am nächsten. Soviel hatten wir auch ohne Karte mit Hilfe von Google herausgefunden. Der Lonely Planet Reiseführer ist nicht sehr informativ in dieser Region und führt beispielsweise Mompox als Sehenswürdigkeit in der Umgebung Cartagenas auf. Schöne karibische Sandstrände gibt es in dessen Umgebung eher nicht, aber Tolú soll paradiesisches, gringofreies Urlaubsziel vieler Kolumbianer sein. Unser Weg nach Nordwesten verlängerte auch die Strecke nach Cartagena, aber egal wenn es uns dem Paradies näher bringt…
Wir hätten es fast an einem Tag geschafft, wenn uns nicht gleich zwei Speichenbrüche ausgebremst hätten. So fuhren wir die letzten 15 km am nächsten Morgen und waren trotz regnerischen Wetters ein kleines bißchen aufgeregt. Und dann war er einfach wieder da, der Atlantik. Ist irgendwie jedes Mal komisch auf einen Ozean zu stoßen. Man weiß, da hinten muss er sein und wenn die riesige Wassermenge vor einem erscheint, ist man doch wieder beeindruckt. Diesmal habe ich sogar eine kleine Träne vergossen. Aus Freude, es geschafft zu haben und aus Trauer, dass es jetzt vorbei ist. Carsten hat sich ganz schön erschrocken :o). Und als wir dann nach einigen Atlantikgedenkminuten in ein Touribüro marschierten, um zu erfahren, wo denn jetzt die paradiesischen Sandstrände sind, sagte uns Freddy: hier nicht. Wir könnten mit einem Boot für 20 Euro zu einer Inselgruppe fahren, allerdings erst am nächsten Tag oder nach Rincon del Mar. Das ‘Meereseckchen’ sei nur 40 km entfernt, ein bißchen Schotter, ja, aber dafür echt paradiesisch. Er zeigte uns sogar Fotos und wir waren überzeugt. Also zurück auf’s Rad statt Pausentag und ab ins Meereseckchen.
Rincon del Mar lag dann ziemlich versteckt hinter einem guten Stück aufgeweichtem Sandweg direkt an unserem Lieblingsozean. Einige kleine Kneipen mit lauter Musik direkt am Strand (Carsten fragte letztens, warum eigentlich nicht die Hälfte aller Kolumbianer taub ist…), daneben Fischerboote und Palmen. Keinerlei erkennbare Touristen, einige kleine Läden und eine Hand voll Hotels. Die meisten davon haben auf der Vorderseite Strand und auf der Rückseite die Hauptstraße des Örtchens, äh den Hauptsandweg. Nach ergiebiger Prüfung der Preise und unserer Gemütslage beschlossen wir am Strand zu zelten. José, nach eigener Angabe einer von 25 Touristenführern, war uns dabei behilflich und zeigte uns verschiedene denkbare Stellen. Die waren alle direkt im Ort und quasi vor irgendeinem privaten Hintereingang, aber der Strand in Rincon del Mar gehört allen und so störte sich niemand daran, als wir am schönsten Platz überhaupt unser Lager aufschlugen. Zwischen zwei Buchten, quasi auf einer Art Sandvorsprung unter einem Baum und bei Flut nur 2 m vom Wasser entfernt machten wir es uns gemütlich. Als ich in den Ozean hüpfte, musste ich feststellen, dass dessen Temperatur eher der klassischen Badewannenwassers entsprach als der erwarteten wohltuenden Kühle eines Ozeans, aber so ist das in der Karibik wohl. Carsten besorgte uns später noch ein Abendessen aus einem der Restaurants: Kokosreis (ein Traum!) mit frisch gebratenem Fisch und ein erfrischendes Getränk und wir genossen einen ruhigen Abend am Meer mit einem wunderschönen Sternenhimmel, leiser Musik aus der Ferne und dem Rauschen der Wellen. Mit dem Plan, uns den nächsten Tag nicht mehr als nötig zu bewegen, schliefen wir so gut es bei der Hitze ging irgendwann ein…
Nun denn, ein voller Tag nix tun stand an. Die Sonne schien und ich war Frühstücksbeauftragte. Ich besorgte Milch Mangos und Eier und wir machten uns Eierkuchen um die Vorräte langsam ein bißchen zu reduzieren. Dann lasen wir erstmal ein wenig in unseren Büchern nur von gelegentlichen Bade- und Decke-wieder-in-den-Schatten-rück-Pausen unterbrochen. Die Fischer, die morgens mit kleinen, mittleren und ganz kleinen Booten in See gestochen waren, kamen langsam zurück und wir dachten daran auch abends zu kochen. Doch die, die große Fische gefangen hatten wollten sie nur im Stück verkaufen und die, die kleine Fische hatten, wollten sie selbst essen. Egal, zum Mittag besorgte uns Carsten erstmal für einen Euro eine Melone direkt vom LKW und nach einem Testessen gleich noch eine zweite für den nächsten Tag. Und weil der Kokosreis uns so gut geschmeckt hatte, marschierte er mit einem Topf zum Restaurant und fragte nach einem Topf Reis. Dauert anderthalb Stunden und kostet auch ‘nen Euro – besser geht’s doch nicht! Und zum Essen und in den Lesepausen gab es Strandleben zu beobachten, im oder am Wasser spielende Kinder, Männer die auf Eseln angeritten kommen und Säcke mit Bananen oder Kokosnüssen vorbeibringen, rumlungernde Jugendliche, Fischernetze knüpfende Fischer, vorbeifliegende Pelikane. Ab und zu besorgte einer von uns eine trinkbare Abkühlung und im Laufe des Tages lasen wir beide unsere Bücher aus. Faulenzen im Paradies! Wir fanden in einem Laden auch noch zwei Fische zum Abendbrot, die Carsten unter den neugierigen Blicken einer Fußballmannschaft zehnjähriger Jungen im Dunkeln braten durfte.
Was für ein schöner erster Hochzeitstag… hätte das sein können. Wir waren einen Tag zu früh dran und die Bootstour die wir für unseren persönlichen Feiertag geplant hatten musste dann wegen zu hoher Kosten abgeblasen werden. Und so packten wir am 23. Juli unsere Sachen, sprangen noch mal in den Ozean und radelten bei Affenhitze über 80 km in Richtung Norden, bevor wir in einem an einer Kreuzung gelegenen Hotel für LKW-Fahrer abstiegen und uns ein Abendessen im benachbarten Restaurant gönnten. Unser Zimmerchen war mehr mehr als spärlich, aber immerhin sauber und mit Klimaanlage versehen. Unser Hochzeitstag war damit ein ganz durchschnittlicher Radeltag und das ist vielleicht auch gar nicht so schlimm, schließlich hatten wir ja immerhin nach fast einem Jahr das Paradies gefunden… :o)
PS: Im Paradies gibt es leider kein Klo und keine Dusche…