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Gastfreundschaft in Ecuador |
Mittwoch, 11. Juli 2012 | Veröffentlicht von Anne unter Ecuador |
Nachdem die Galapagosinseln ein mittelgroßes Loch in unserem Budget hinterlassen hatten, schöpften wir in den folgenden zweieinhalb Wochen Ecuador alle unsere Übernachtungsoptionen aus. Dies beinhaltete wildes Zelten, Couchsurfing, eine Casa de ciclistas und die lokale Feuerwehr. Und alle diese Optionen, mal abgesehen vom wilden Zelten haben den Vorteil, dass sie nicht nur günstig sind, sondern einem vor allem auch Land und Leute näher bringen.
In Guayaquil surften wir auf Anas Couch, die ja unserer Möhre schon während unseres Inselaufenhaltes ein zu Hause auf ihrer Dachterasse geboten hatte. Couchsurfing ist ein Internet-Netzwerk in dem Reisende anderen Reisenden den Aufenthalt in ihrer Wohnung oder ihrem Haus ermöglichen, wenn sie selbst gerade zu Hause sind. Ana zeigte uns ihre Heimatstadt mitsamt den Geheimtipps, wie einem wunderbaren Obstsalat- und Obstsaftparadies. Lecker, billig und riesig sind die Portionen dort und es ist immer voll. Außerdem ist sie die Frühstücksqueen von Guayaquil und man kann froh sein, dass sie dort ein Bed and Breakfast eröffnen will und jeder in den Genuß eines Ana-Frühstücks kommen kann. Am letzten Abend gingen wir mit ihr zu einem Couchsurfertreffen in einer Pizzeria anlässlich des dreizehnten Geburtstags der Couchsurfing-Webseite.
Auch in Riobamba surften wir wieder. Mit Alison und Arnd haben wir wiedereinmal unglaublich nette und interessante Gastgeber gefunden. Etwas außerhalb gelegen bietet ihr Haus nicht nur eine tolle Küche und einen riesigen WOhnzimmerbereich, sondern auch ein kontaktfreudiges Lama im Vorgarten und einen reichhaltigen Gemüsegarten. Auch Alison und Arnd versorgten uns mit umfangreichen Tipps für die Umgebung und Alison zeigte uns die beste Eisdiele im Ort. Insiderinfos die mit Essen zu tun haben, haben wir besonders gern.
In Riobamba gefiel es uns so gut, dass wir gleich drei Nächte blieben. Und auch am zweiten Tag verzichteten wir auf unsere Möhre und begaben uns per Bus nach Salinas. Der Besuch dieses kleinen Örtchens wurde uns von Ana und anderen Ecuadorianern ans Herz gelegt mit dem Versprechen, dass es dort richtig guten Käse gäbe. Nachdem wir nun seit fast drei Monaten im Wesentlichen in den Anden unterwegs waren und immer wieder den gleichen Käse gegessen haben, war “Käse” genau das richtige Stichwort für uns. vor etlichen Jahren zog es einen italienischen Priester, Pastor, irgendwas nach Salinas und er begann der lokalen Bevölkerung die ökologisch nachhaltige Herstellung von Käse, Wurst und einigen anderen Dingen beizubringen. Und glücklicherweise scheint er ein paar gute Rezepte mitgebracht zu haben. Als wir in den kleinen Verkaufsraum der Käsefabrik kamen, durften wir nicht nur Gouda, sondern auch Gryerzer probieren. Eine Wonne! Wir besuchten dann noch ein paar andere Fabriken, in denen getrocknete Früchte und Pilze, Schaf- und Alpacawolle, gute Wurst, Schokolade, Marmelade und andere Dinge hergestellt werden bevor wir ein Kilo Käse erstanden. Außerdem sollten getrocknete Pilze und eine Tafel Schokolade für ein wenig kulinarische Abwechslung sorgen.
Auf dem Rückweg nach Riobamba kamen wir noch am Nationalpark Chimborazo vorbei. Der Chimborazo ist ein wunderschöner Vulkan mit über 6000 m Höhe und es gibt einen recht einfachen Pfad, auf dem man bis auf 5000 m vordringen kann. Leider waren wir etwas spät dran, so dass wir trotz vollmundiger Ankündigung die 5000 zu knacken letztlich nur eine gute halbe Stunde bei eiskaltem Wind und unter den neugierigen Blicken einer Vicunaherde den Berg hinauf liefen. Gelohnt hat es sich aber trotzdem. Wir genossen die imposante Aussicht auf den Vulkan, die sich durch ein paar tiefhängende Wolken fast minütlich änderte. Und wir hatten wieder einmal Glück. Auf dem Rückweg hielt ein kleiner klappriger Fiat, in dem ein älteres Ehepaar von der Küste bis nach Riobamba fahren wollte. Und uns mitnehmen wollte. Wir nahmen dankbar an, schließlich waren wir doch ein wenig durchgefroren und ein Kilo Käse plus anderer Kleinkram wollen auch erstmal durch die Gegend getragen werden.
Nach einem Frühstück, das an beste Sonntagvormittage in unserer alten WG erinnerte, verließen wir schweren Herzens Riobamba und machten uns auf in den Dschungel. Zwei Tage später fanden wir uns dann in Puyo im Amazonastiefland wieder, es wurde dunkel und wir wollten nicht in ein Hotel investieren. Also fragten wir uns zu den Bomberos durch. Die Feuerwehr gilt in Südamerika allgemein als Freund des Reiseradlers, das bisher einzige Mal hatten wir diese Freundschaft jedoch in Brasilien getestet. Wir hatten Glück. Nach etwas Sucherei fanden wir die Bomberos und wurden eingeladen, in einem Raum mit Feldbetten zu schlafen und die Dusche zu benutzen. Wir nahmen dankbar an und bekamen noch einen Feuerwehrmann als Wachschutz zugewiesen, als wir im Dunkeln zum nächsten Laden laufen wollten. Außerdem durfte Carsten die Feuerwehrstange runterrutschen. Am nächsten Morgen wurden wir nach einigen Testfahrten mit dem Rad noch mit Keksen und Wasser versorgt bevor wir fröhlich winkend abfuhren. Auch kurz vor der kolumbianischen Grenze versuchten wir es in Ibarra bei der Feuerwehr. Auch hier keine Probleme, wir wurden direkt zu zwei kolumbianischen Radfahrern ins Zimmer gesteckt. Nur der Kontakt zu den Feuerwehrmännern hielt sich in Grenzen, hier kommen wohl zu oft Radler vorbei…
In bzw. bei Quito kamen wir dann noch in den Genuss einer Casa de ciclistas. Das kann man sich so ähnlich wie Couchsurfing vorstellen, die wenigen Adressen tauscht man unter Fernradlern aus. Der große Vorteil einer Casa de ciclistas ist das Fahrrad-Interesse und oft Spezialwissen der Gastgeber. Santiago beispielsweise baut in seinem Hinterhof Mountainbikes zusammen und verkauft sie an Radler in und um Quito. Er nimmt an Rennen teil, gibt Fahrradunterricht und kann wahrscheinlich jedes Problem eines Fernradlers mit seinem fahrbaren Untersatz lösen oder weiss, wer es kann. Uns hat er unsere Fähigkeit zu bremsen zurückgegeben. Aber das ist eine andere Geschichte. Außerdem kennt er die Gegend wie seine Westentasche und kann im Gegensatz zu vielen anderen Ecuadorianern Distanzen zwischen Orten in Kilometern angeben statt in Stunden oder nur in ‘nah’ (‘cerca’, wahlweise auch ‘cercita’) oder ‘fern’ (‘lejos’, gerne auch ‘muy lejos’). Und er kann endlos Geschichten von anderen Reiseradlern erzählen, denn die meisten Panamerikanaradler kommen bei ihm vorbei. Wir blieben zwei Tage, einen, um das nah gelegene Quito zu erkunden, wo wir bestimmt eine Stunde lang auf der Kathedrale rumgeklettert sind. Und einen zweiten, um unsere Möhre wieder fit zu kriegen.
Auch neben diesen zahlreichen Übernachtungsjuwelen sind die Ecuadorianer sehr freundliche Menschen. Wiederholt schenkten uns die Menschen kulinarische Kleinigkeiten, wie beispielsweise Gatorade und Wackelpudding an der härtesten Steigung dieser Reise oder eine Tüte Mandarinen und Pfirsiche kurz vor der kolumbianischen Grenze. Oft wurden wir zum Probieren eingeladen, wenn wir an einem Stand hielten und eigentlich nur wissen wollten, was da wieder verkauft wird. Einmal wollte ich am Straßenrand von einem Bananenlaster eine Stärkung erstehen. Der Verkäufer bot mir eine Staude Bananen für zwei Dollar. Meinem entsetzten Blick und der Frage nach einzelnen Bananen begegnete er mit einem Lächeln und schenkte mir drei kleine Bananen.
Nen Kilo Käse mit sich rumtragen, aber ne ganze BANANENSTAUDE für zwei Dollar ausschlagen. Tss, das sind doch die Geschichten, die man später den Kindeskindern erzählt. Ihr hättet sagen können: “Ja liebe Enkelkinder, damals, als wir zwei Wochen lang von der Bananenstaude gelebt haben, da sind unsere Arme um 20cm länger geworden. Ehrenwort!”
Aber egal, hauptsache ihr seid glücklich. Und solch hochkarätige Geschichten könnt ihr euch später wie die meisten anderen Großeltern auch einfach ausdenken. Gute Fahrt weiterhin!
Ich lese jeder Eurer Geschichten mit grosser Spannung und Freude und ehrlich gesagt, freue ich mich jetzt schon darauf, sie irgendwann wieder einmal zusammengefasst in einem Buch zu lesen :-)
Geniesst die letzten Wochen! Mir werden die Updates fehlen!
Liebe Gruesse
Nadja & Co.